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Ein fesselnder Thriller rund um die wichtigsten Technologien und Herausforderungen unserer Zeit

»Feuer, Buchdruck, Industrialisierung, Atomzeitalter, Internet – all das war nichts im Vergleich zum Orkan der Veränderung, den die Klimakatastrophe und Systemkrise sowie die Verschmelzung von menschlicher und künstlicher Intelligenz entfachten.«

Mit diesen Worten wird Ben aus seinem trostlosen Alltag in die Zukunft von »WeYou« katapultiert. Dort kämpft die Menschheit um ihr Überleben, das »We«. In der virtuellen »Real World«, einem Ort der unbegrenzten Möglichkeiten hingegen dreht sich alles um das individuelle Glück, das »You«. Auf der Jagd nach dem Schlüssel zur Rettung der Menschheit lernt Ben, welche Desaster und Unwägbarkeiten vor uns liegen, aber auch, welche Möglichkeiten KI, Gentechnik, Quantencomputer oder Roboter zukünftig bieten. Das Wissen zur Lösung der größten Herausforderungen unserer Zeit ist bereits heute vorhanden – wir müssen es nur richtig nutzen. Doch reicht die knappe Zeit, damit Ben die Geschichte unser aller Zukunft neu schreibt?


Catch-22

Catch-22 ist ein geflügeltes Wort aus dem angelsächsischen Raum. Es bezeichnet eine paradoxe Situation, aus der man aufgrund widersprüchlicher Regeln oder Einschränkungen nicht entkommen kann – zu Deutsch: ein Dilemma oder eine Zwickmühle. In der Forschung spiegelt Catch-22 die Frustration der Wissenschaft mit bekannten Unbekannten wider (Wikipedia).



Catch-42

Ein Catch-42 bedeutet, das Undenkbare zu denken, das Unmögliche möglich zu machen oder eine scheinbar aussichtslose oder paradoxe Situation in ein lösbares Problem zu verwandeln. Das Ergebnis ist eine bahnbrechende Erkenntnis, die unsere Vorstellungskraft übersteigt und unsere Lebensweise und Sicht auf das Universum grundlegend verändert. Newtons Gesetz der universellen Gravitation, Einsteins Relativitätstheorie und mehrere zukünftige Durchbrüche, die in diesem Buch geschildert werden, sind Paradebeispiele für Catch-42s.



Zehn Fakten der letzten zehn Jahre

2013: Startschuss zum Aufbau des chinesischen Sozialkredit-Systems. Mit Hilfe von Big Data, künstlicher Intelligenz und dem landesweiten Überwachungssystem Skynet wird neben dem Konsumverhalten und der Bonität auch das Alltags- und Sozialverhalten erfasst. Den daraus resultierenden Social Score müssen Bürger nicht nur bei Kreditanträgen, sondern auch im Zuge einer möglichen Beförderung bei ihrem Arbeitgeber vorlegen.

2014: Dr. Ursula Voss von der Johann Wolfgang Goethe-Universität gelingt es, Menschen mit Hilfe elektronischer Stimulation des Gehirns gezielt in den Grenzbereich eines Klartraums zu führen. Probanden berichten von hyperrealistischen Cyberspace-Erfahrungen, bei denen sie mit allen Sinnen in eine neue Welt eintauchen, die farbenprächtiger und intensiver als die Realität ist.

2015: Das Unternehmen THE ODIN, gegründet vom Biohacker und Ex-NASA Wissenschaftler Josiah Zayner, bietet erstmals ein DIY Genetic Engineering Kit, mit dem jeder zuhause Experimente mit genetischen Veränderungen durchführen kann.

2016: Mit seinem internationalen Bestseller Homo deus: A brief history of tomorrow verbreitet Yuval Noah Harari die wissenschaftliche Erkenntnis, dass sowohl Biologie als auch menschliche Entscheidungen auf Algorithmen beruhen, die wir lediglich aufgrund fehlender Rechenleistung heutiger Computer noch nicht entschlüsseln können.

2017: Anil Seth, Professor für kognitive and computergestützte Neurowissenschaft, gibt Einblicke in seine Forschung und zeigt, dass das, was wir glauben mit unseren Augen zu sehen, nicht der Realität entspricht: Vielmehr handelt es sich um eine bestmögliche Einschätzung unseres Gehirns – basierend auf elektromagnetischen Impulsen.

2018: Der chinesische Biophysiker He Jiankui bringt die ersten genetisch optimierten Babys zur Welt. Er wird zu 3 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe in Höhe von drei Millionen Yuan verurteilt (etwa 380 000 Euro). Im April 2022 wird er aus der Haft entlassen.

2019: Arnav Kapur vom MIT Media Lab zeigt, wie er und sein Team das menschliche Gehirn mit künstlicher Intelligenz verknüpfen, um zum Beispiel Gedanken von Menschen in Sprache umzuwandeln, die aufgrund einer Behinderung nicht mehr sprechen können.

2020: Nachdem Google bereits im Vorjahr mit einem 54 Qubit-Quantencomputer in 200 Sekunden eine Berechnung gelöst hat, für die der zu diesem Zeitpunkt schnellste Super-Computer über 10.000 Jahre benötigt hätte, kündigt IBM an, bis 2023 einen Quantencomputer mit mehr als 1.000 Qubits zu entwickeln. Zum Ende des Jahrzehnts plant Google, den ersten Quantencomputer mit mehr als 1 Mio. Qubits fertigzustellen.

2021: Im Neujahrsvideo Do You Love Me? von Boston Dynamics führen Roboter eine beeindruckende Tanzperformance auf. Im selben Jahr präsentiert der Unternehmer Elon Musk den Tesla Optimus – einen Humanoid, sprich Roboter mit menschenähnlichem Äußeren und menschenartigen Eigenschaften.

2022: Laut dem IPCC-Bericht stellen schon heute die zunehmenden Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels ein hochgradiges Risiko für bis zu 3,6 Milliarden Menschen dar – sprich knapp die Hälfte der Weltbevölkerung gilt als akut betroffen, und das ist lediglich eine kleine Auswahl der Fakten, auf denen die folgende fiktive Geschichte beruht.



1) Tagtraum

Verdammt! Das dumpfe, kontinuierliche Pochen in meinem Kopf wird mich früher oder später noch in den Wahnsinn treiben. Wobei das auch nur ein weiteres Zeichen ist, wie völlig ausgelaugt ich mich fühle. Mit gerade mal fünfunddreißig Jahren sollte ich eigentlich auf Hochtouren laufen. Stattdessen fühle ich mich, als würde ich aus dem letzten Loch pfeifen. Zum Glück habe ich wenigstens noch fünf Minuten auf diesem Parkplatz, um kurz die Augen zu schließen, bevor ich zu meinem nächsten Job muss. Wie um alles in der Welt kann ich mich nur aus dieser dunklen Wolke der Verzweiflung befreien, bevor sie mir noch den letzten Funken Hoffnung raubt?

»Hi Ben, in letzter Zeit hat sich viel verändert – und nicht zum Besseren, oder? Du denkst, dein Leben läuft echt mies? Ehrlich gesagt ist das nichts im Vergleich zu den zukünftigen Herausforderungen in der Welt namens WeYou, aus der ich zu dir spreche. Trotz eines regelrechten Urknalls an Innovationen und einigen unglaublichen Durchbrüchen stecken wir in einer Sackgasse fest. Wir glauben, dass wir alles gefunden haben, was wir brauchen, um Weisheit, grenzenlose Macht und Unsterblichkeit zu erlangen, doch der endgültige Durchbruch für die Menschheit ist hinter einer Tür verborgen, die wir nicht öffnen können – egal, wie sehr wir uns auch bemühen. Wenn wir diese Herausforderung nicht bald meistern, werden wir alle aussterben. Den Schlüssel zu besagter Tür haben wir irgendwo zwischen deiner und unserer Zeit verloren. Und genau hier kommst du ins Spiel: Wir brauchen deine Hilfe, um diesen Schlüssel zu finden.«

Was für ein seltsamer Tagtraum! Moment. Warum kann ich meine Augen nicht öffnen?

»Du hast vielleicht schon gehört, dass der Mensch nur etwa zehn Prozent seiner Gehirnkapazität nutzt – das ist ein Mythos. Der Großteil deines Gehirns ist rund um die Uhr aktiv, doch oft läuft nur ein kleiner Teil wirklich auf Hochtouren, während der Rest eher im Schongang unterwegs ist. Wenn du in unsere Welt kommst, wirst du deine gesamte Gehirnkapazität mit voller Geschwindigkeit nutzen können: hundert Prozent oder sogar noch mehr. Deine Welt wird nicht einmal merken, dass du weg bist! Du kannst ganz normal in deiner Welt weiterleben, während wir einen Teil deiner weniger aktiven Gehirnkapazität in unsere Welt übertragen – und das auch nur für wenige Stunden. Was wir tatsächlich brauchen, ist weniger die Rechenleistung deines Gehirns als vielmehr deine Art zu denken. Der technische Fortschritt, genetische Optimierung sowie fundamentale Veränderungen unserer Gesellschaft und Werteordnung haben unsere Denkweise radikal verändert. Wir glauben, dass wir gewisse Denkmuster verloren haben, die wir benötigen, um besagten Schlüssel zu finden und die Geheimnisse aufzudecken, nach denen wir suchen. Getreu dem guten alten Motto ›eine Hand wäscht die andere‹ gilt: Wenn du uns hilfst, werden wir auch dir etwas Gutes tun.

Sobald wir den verlorenen Schlüssel finden, kannst du mit der Fähigkeit in deine Welt zurückkehren, um die volle Kapazität deines Gehirns zu nutzen. Stell dir nur vor, was du alles erreichen könntest! Die Beziehung zu deiner Frau in Ordnung bringen, deine Kinder wiedersehen, dein Familienunternehmen retten, reich werden, anderen helfen. Du könntest alles tun, was du willst. Wie hört sich das an?«

So ein Schwachsinn! Heiße ich etwa Newton, Einstein oder Hawking? Nein, ganz sicher nicht. Ich bin bloß ein armer Schlucker, dessen Leben sich in einen Albtraum verwandelt hat. Und so ein Loser wie ich soll nun das ultimative Geheimnis der Menschheit lüften? Na, dann gute Nacht!

»Wusstest du, dass Albert Einstein ein einfacher Beamter in einem Schweizer Patentamt war, bevor er einer der berühmtesten Wissenschaftler aller Zeiten wurde? Er schien niemand Besonderes zu sein. Aber in jedem von uns schlummern außergewöhnliche Fähigkeiten – man muss sie nur finden und die richtigen Knöpfe drücken, um sie zu aktivieren. In der Welt von WeYou bist du in der Lage, genau das zu tun. Du kannst sein und machen, was immer du willst – ohne Einschränkungen. Denk darüber nach! Wirst du uns helfen?«

Keine Ahnung. Und jetzt geh mir nicht weiter auf den Zeiger und lass mich endlich aufwachen. Dann kannst du von mir aus mit meinem Hirn machen, was du willst – vor allem, wenn es sowieso keiner merkt. Alles, was ich wollte, war eine kleine Pause. Und jetzt muss ich wirklich langsam mal wieder in die Gänge kommen.

Ich will gerade die Augen öffnen, als mich ein gewaltiger Blitz trifft, der mir durch Mark und Bein geht. Irgendwo tief unten in meinem Unterbewusstsein flüstert eine andere Stimme.

»Traue ihnen nicht – sie sind böse! WeYou basiert auf einer unfassbaren Lüge! Sei vorsichtig! Die Dinge sind nicht das, was sie zu sein scheinen. Nachdem du die Welt von WeYou betreten hast und die Zeit reif ist, werden wir wieder mit dir in Kontakt treten. Zusammen werden wir die Menschheit wachrütteln und den WeYou-Albtraum beenden.«

Auf einmal bin ich wieder völlig bei mir, als ob nichts passiert wäre. Alles, was bleibt, ist ein seltsames Gefühl irgendwo tief in mir.

Ich habe keine Zeit, über all das nachzudenken. Ich muss mich beeilen. Für Tagelöhner wie mich bedeutet Unpünktlichkeit den sofortigen Jobverlust – was echt eine Schande wäre. Denn wie so ziemlich jeder andere brauche auch ich dringend jeden Dollar. Ich sollte dankbar sein, dass ich überhaupt Geld verdiene – schließlich ist das aktuell alles andere als selbstverständlich.

Just in dem Moment, als ich von der Arbeit nach Hause komme, falle ich völlig erschöpft in mein Bett und versuche, etwas Schlaf zu finden. Wie jeden Abend braucht mein Kopf etwas Zeit, um abzuschalten und all die trüben Gedanken zu verdrängen.

Seit Vicky wieder zu ihren Eltern nach Kentucky gezogen ist und Jack und Zoe mitgenommen hat, kann ich mich nicht mehr entspannen und träume auch nicht mehr. Ich nehme es ihr nicht übel, dass sie mich verlassen hat. Ich hatte versprochen, mich immer um meine Familie zu kümmern. Aber die Dinge waren dermaßen aus dem Ruder gelaufen, dass ich mein Versprechen nicht mehr halten konnte.

Ich hätte mit ihr gehen können. Aber einfach so aufgeben? Auf gar keinen Fall! Ich dachte, ich könnte alles in Ordnung bringen, sodass die Dinge irgendwann besser würden – aber der Schuss ging leider nach hinten los. Seitdem werde ich regelrecht von Müdigkeit und Verzweiflung aufgefressen. Die Zeit vergeht so schnell. Ich habe Vicky und die Kinder schon seit mehr als zwei Jahren nicht mehr gesehen. Die ganzen Streitereien haben mich völlig ausgelaugt. Egal, wie viel ich auch schlafe – meine Batterien scheinen nicht mehr richtig aufzuladen, was aber auch kein Wunder ist: Selbst jetzt mitten in der Nacht finde ich einfach...

»Hi, Ben«, ertönt die mir bereits vertraute Stimme in meinem Kopf. »Wir haben einen Weg gefunden, einige der Möglichkeiten von WeYou zu demonstrieren, von denen ich dir heute erzählt habe. Leider kann das vorerst nur auf eine sehr simple Art und Weise erfolgen. Wir brauchen den verlorenen Schlüssel, bevor wir weitgehendere Fähigkeiten in deine Welt übertragen können. Dennoch hoffen wir, dass diese kleine Demonstration ausreicht, um dir das Potential von WeYou zu veranschaulichen. Wir werden einen Traum in dein Gehirn übertragen, der simuliert, wie dein Leben aussehen könnte, wenn wir den verlorenen Schlüssel finden. Wir hoffen, dass dich das überzeugt, ein Teil unserer Mission zu werden.«

Plötzlich bin ich hellwach – zurück hinter der Theke des italienischen Restaurants und Feinkostladens, den ich früher mit meinen Eltern und zwei Brüdern betrieben habe. Der Geruch des fangfrischen, mit Knoblauch garnierten Fischs auf dem Grill direkt neben mir, das leicht gedämpfte Licht der Lampen und das Surren der Ventilatoren an der Decke, der Geräuschpegel eines gut laufenden Ladens und Restaurants – alles fühlt sich so vertraut an.

Mein Vater war bereits in jungen Jahren aus Italien in die USA eingewandert. Vor etwa fünfzehn Jahren hatte er eine hundert Jahre alte Ravioli-Maschine gekauft, um handgemachte Pasta herzustellen und gemeinsam mit meiner Mutter ein Restaurant zu eröffnen. Meine Mutter ist die Einzige, die mich ›Beniamino‹ nennt, um die italienischen Wurzeln meines Namens am Leben zu halten. Alle anderen nennen mich ›Ben‹.

Das Restaurant war von Anfang an ein voller Erfolg. Bald stiegen auch meine Brüder ein. Nachdem ich vier Jahre in der Navy gedient hatte, kehrte ich nach San Jose zurück und wurde ebenfalls ein fester Bestandteil unseres Familienunternehmens. Alles lief fantastisch – bis zu der verdammten Wirtschaftskrise, bei der alles zusammenbrach: das Geschäft, meine Familie, mein ganzes Leben.

Aber jetzt scheint es so, als wäre das alles nie passiert: Wie jeden Tag zur Mittagszeit ist das Lokal brechend voll, und draußen warten immer noch jede Menge Leute, um einen Sitzplatz zu ergattern oder Essen zum Mitnehmen abzuholen. Nachdem sich der Mittagsansturm gelegt hat, setzt sich die ganze Familie an die Bar – das ist unser tägliches Ritual. Wir nennen es ›Ora Italiana‹, unsere italienische Stunde. Wir machen Witze, necken uns gegenseitig und haben jede Menge Spaß.

Heute nehme ich nur einen kleinen Drink, bevor ich meine Mama umarme, mich von meinem Vater und meinen Brüdern verabschiede und früh aufbreche, um mit meiner Familie einen kleinen Wochenendausflug zu machen. Wir fahren zu einem unserer Lieblingsorte: einem Campingplatz in Pismo Beach – der perfekte Platz, um Jacks neues Bodyboard auszuprobieren, das wir ihm letzte Woche zu seinem siebten Geburtstag geschenkt haben.

Vicky hat alles gepackt, und als ich nach Hause komme, sind bereits alle startklar. Ich weiß nicht genau, warum, aber ich bin überwältigt von der Liebe, die ich für meine Frau und meine beiden Kinder empfinde. Es fühlt sich so an, als hätte ich sie nicht vor Stunden verlassen, als ich heute Morgen zur Arbeit ging, sondern vor Jahren.

Vicky wartet vor dem Haus, umarmt mich liebevoll und gibt mir einen sanften Kuss. Obwohl sich unsere Lippen nur für einen flüchtigen Moment berühren, fühlt es sich wie der beste Kuss meines Lebens an. Meine vierjährige Tochter Zoe rennt von der Haustür zu mir, und ich werfe sie hoch in die Luft, fange sie auf, umarme sie ganz fest und gebe ihr einen dicken Kuss auf ihre kleine süße Stirn. »Jack, jetzt bist du an der Reihe.« Auch er gibt mir eine große Willkommensumarmung. Plötzlich schreit Zoe: »Family Time!« Alle fallen auf die Knie, und wir kuscheln uns zusammen, schlingen unsere Arme umeinander und küssen einander ab. Das ist unsere Art, zu zeigen, wie sehr wir uns lieben – fast so etwas wie ein tägliches Ritual. Mein Körper und meine Seele platzen regelrecht vor lauter positiver Energie.

Ich springe noch schnell unter die Dusche, bevor wir uns auf den Weg machen. Vicky ist die perfekte Entertainerin für die Kinder, während ich fahre. Sie spielen, singen und hören ein Hörspiel. Alle amüsieren sich prächtig, sodass die Zeit wie im Flug vergeht und wir nach der etwa dreistündigen Fahrt gut gelaunt auf dem Campingplatz ankommen.

Nachdem wir unser Wohnmobil geparkt und alles installiert haben, ist es an der Zeit, mit dem Barbecue loszulegen. Ich habe an diesem Morgen einige der Lieblingsspeisen von Vicky und den Kindern auf dem Markt besorgt. Sie wiederum haben einige Salate und einen Nachtisch vorbereitet, während ich bei der Arbeit war. Es gibt viel mehr Essen als nötig, aber wir sind das ganze Wochenende in Pismo Beach. Sprich es bleibt genug Zeit, uns um die Reste zu kümmern.

Neben uns wohnt eine andere Familie mit zwei Kindern – beide in einem ähnlichen Alter wie Jack und Zoe. Es ist also keine allzu große Überraschung, dass wir uns schnell mit unseren Nachbarn anfreunden. Nachdem alle Kinder eingeschlafen sind, gehen Vicky und ich nach draußen, um ein paar Drinks mit ihnen einzunehmen. Vicky ist heute Abend sehr anschmiegsam, und es dauert nicht lange, bis sie anfängt, meinen Oberschenkel unter dem Tisch zu streicheln. Je später es wird, desto näher kommt sie meiner Lieblingsstelle. Es ist definitiv Zeit, ins Bett zu gehen.

Kaum fällt die Tür ins Schloss, fängt Vicky an, mir die Kleider vom Körper zu reißen. Die Kinder schlafen tief und fest im Hochbett über der Fahrerkabine. Unser Schlafzimmer befindet sich am anderen Ende des Fahrzeugs. Wir sind beide splitterfasernackt, bevor wir uns auch nur in der Nähe unseres Bettes befinden. Der Geruch von Vickys Haaren, jede Berührung ihrer weichen Haut, die Art und Weise, wie sie so erregt ist und es mich spüren lässt – all das macht mich vollkommen verrückt. Mein Geist ist frei von jeglichen Gedanken – ich lebe nur in diesem Moment. Der Sex ist atemberaubend. Er fühlt sich anders und besser an als jeder Sex, den wir je zuvor hatten, als hätten wir eine Art ultimative Intimität erreicht. Es ist, als würden wir zu einem einzigen großen, nicht enden wollenden Orgasmus verschmelzen.

Wir sind beide atemlos, als dieses durch und durch wohlige Gefühl langsam abebbt. »Du bist mein Ein und Alles. Wir sind einfach wie zwei Planeten, die nicht anders können als umeinander zu kreisen. Und hast du eine Ahnung, was das Beste dabei ist? Ich bin immer noch so in dich verliebt wie am ersten Tag. Du bist einfach der perfekte Mann für mich«, haucht mir Vicky sanft ins Ohr, während sie sich in meinem Arm an mich schmiegt. »Ich danke dem Universum so oft für jede Minute mit dir und all die fantastischen Momente, die wir bereits zusammen erleben durften. Unser erstes Date und unser erster Kuss, unsere Reise nach Europa, wie wir in unser erstes gemeinsames Haus eingezogen sind, unsere Hochzeit, die Geburt der Kinder, all unsere Ausflüge in die Nationalparks...«

Vickys Aufzählung klingt langsam in weiter Ferne aus, als ich nach diesem perfekten Tag entspanne: glücklich und sorgenfrei – ein Zustand, den ich schon sehr lange nicht mehr erlebt habe. Ich döse gerade ein, als die Stimme wieder erscheint.

»Ich hoffe, du hast diesen kleinen Ausflug genossen. Es tut mir leid, dass wir den Traum nicht länger aufrechterhalten können. Sprich ich muss dich jetzt zurück in die Realität schicken. Aber es gibt etwas, das du immer im Hinterkopf behalten solltest: Wenn wir den verlorenen Schlüssel finden, werden wir in der Lage sein, diesen Traum und alles andere, was du dir vorstellen kannst, wahr werden zu lassen. Bitte komme in die Welt von WeYou und schließe dich unserer Mission an. Wir brauchen deine Hilfe!«

Der Wecker klingelt. Es ist 5:30 Uhr. Ich wache in meinem trostlosen Wohnwagen auf – allein. Keine Vicky. Keine Kinder. Nichts. Nur Gerümpel, der Geruch von Einsamkeit und Kummer, alte Polster, Teppiche und Vorhänge, die dringend mal wieder eine Reinigung gebrauchen könnten. Ich muss mich für einen weiteren harten Tag und die Suche nach Arbeit fertig machen. Gleichzeitig spüre ich tief in mir, dass ich bereit wäre, alles zu tun – wirklich alles –, um den Traum von letzter Nacht wahr werden zu lassen.







2) Ein Funke Hoffnung

Es ist Neumond – eine pechschwarze Nacht. Trotzdem behält Chezana seine tägliche Routine bei und steht vor Sonnenaufgang auf. Wie in Trance verlässt er sein Haus. Seine dunkle Haut und sein schlanker Körper lassen ihn nicht mehr als einen Schatten erscheinen. Das einzige Geräusch, das die völlige Stille der schlafenden Nacht stört, ist das leise Knurren seines Magens. Wie immer hat er nicht gefrühstückt, und er hat keine Ahnung, ob er heute etwas zu essen bekommen wird – aber das ist ihm egal. Er setzt einen Fuß vor den anderen – immer auf der Hut vor Steinen oder anderen Dingen auf dem staubigen Boden, über die er stolpern könnte. Er ist absolute Enthaltsamkeit gewohnt, aber damit ist er nicht allein. Das Gleiche gilt für alle, die gezwungen sind auf dieser Insel zu leben – abgeschnitten vom Rest der Welt und allen Möglichkeiten und Vorzügen des modernen Lebens. Sie kennen nichts anderes. Er könnte seine ganze Energie darauf verwenden, an dieser unfassbaren Ungerechtigkeit zu verzweifeln. Aber wichtiger ist, dass er seine Ziele erreicht, was nur in kleinen Schritten geschehen kann – einer nach dem anderen. Jetzt ist es sein Ziel, den Hügel neben seinem Dorf zu erklimmen – der perfekte Ort, um in Ruhe die Aussicht und das Spektakel zu genießen, das in wenigen Momenten den neuen Tag einläuten wird.

Sobald die Sonne einen kritischen Punkt auf ihrem Weg erreicht, einen Kipppunkt, bricht der Tag innerhalb weniger Augenblicke an. Egal, wie dunkel die Nacht auch ist – es wird ein heller Tag folgen. So ist es nun mal; daran kann niemand etwas ändern. Das Gleiche gilt für die Hoffnungslosigkeit und Dunkelheit der Welt, in der er lebt. Eines Tages wird auch dieser Ort erleuchtet werden. Diese Gedanken beleben Chezanas Geist – so wie die ersten Sonnenstrahlen alles beleben, was sie in der felsigen und kargen Landschaft vor ihm berühren. Er genießt das Ambiente, während er weiter meditiert und sich auf einen fantastischen Tag vorbereitet.

Seit Chezana die Welt von WeYou betreten und Teccupy gegründet hat, ist jeder Tag irgendwie besonders – doch heute ist es anders: Heute ist der Tag der Entscheidung, der Beginn einer neuen Ära. War das alles nur ein Zufall? Oder folgt alles einem großen kosmischen Plan? Wer weiß das schon?

***

Vor ein paar Jahren unternahm Chezana eine Expedition in die Altstadt. Obwohl es strengstens verboten war, sich dort aufzuhalten, liebte er es, durch die engen Gassen zu schlendern, den Marktplatz zu erkunden und sich vorzustellen, wie sehr dieser Ort früher einmal voller Leben und Freude war. Doch die Fassaden der einst für diese Gegend so typischen, einfach gebauten, aber dennoch farbenfrohen Häuser hatten sich längst in ein trostloses undefinierbares Graubraun verwandelt – wobei dies auch nur noch für die wenigen Häuser galt, die nicht längst eingestürzt und komplett von der Natur zurückerobert worden waren. Sämtliche noch vorhandenen Ruinen waren mit großen, unübersehbaren Rissen übersät, die laut schrien, dass die Gebäude jeden Moment einstürzen könnten und man sich fernhalten sollte. Doch für Chezana war die alte Stadt der perfekte Ort, um seinem Alltag zu entfliehen. Das Verbotene hatte ihn schon immer gereizt; und je größer die Betreten-Verboten-Schilder waren, desto mehr wollte er dahinter schauen. Die ganze Gegend fühlte sich für ihn magisch an. Er stellte sich gerne vor, wie das Leben gewesen war, bevor die große Katastrophe diesen Ort zerstört und alles verändert hatte. In seinen Gedanken verloren begann seine Aufmerksamkeit zu leiden, als er durch diesen gefährlichen Vergnügungspark schlenderte.

Ohne Vorwarnung stürzte Chezanas rechter Fuß plötzlich in den Boden. Er verlor das Gleichgewicht und krachte durch die alte mit Staub bedeckte verrottete Werbetafel, die er aufgrund seiner kurzen Unaufmerksamkeit übersehen hatte. Er fiel etwa drei Meter tief auf einen harten, unnachgiebigen, felsigen Boden. Das einzige Licht in dem dunklen Raum war das Sonnenlicht, das durch das Loch schien, durch das er gefallen war. Er brauchte ein paar Sekunden, damit sich seine Augen an die Umgebung gewöhnen konnten. Zuerst untersuchte er seinen Körper auf ernsthafte Verletzungen. Er konnte es kaum glauben, aber er schien sich keine Knochen gebrochen zu haben und hatte nur ein paar kleine Kratzer davongetragen. Nach einigen Atemzügen in der abgestandenen, staubigen Luft normalisierte sich sein Adrenalinspiegel wieder, und er begann, seine Umgebung zu erkunden.

Er wurde von einem Gefühl der Hoffnung erfasst, als er ein altes Holzregal in der Ecke des Raumes entdeckte. Um zu entkommen, müsste er es lediglich in die Mitte des Raumes schieben und darauf klettern. Aber sobald er das Regal berührte, stellte er fest, dass das Holz morsch war. Es würde ihn auf keinen Fall tragen und wahrscheinlich bereits auseinanderfallen, wenn er es nur bewegte. Verdammt, die Decke war einfach zu hoch. Verzweifelt suchte er den ganzen Raum nach etwas anderem ab, das ihm bei der Flucht dienlich sein könnte, aber er konnte einfach nichts finden. Er starrte auf den Lichtkreis über ihm. Der Ausweg war so nah und doch so fern.

Seine letzte Hoffnung war die alte rostige eiserne Tür am Ende des Raumes. Natürlich hatte er sofort versucht, sie zu öffnen, nachdem er sie entdeckt hatte, aber der Rost hatte die Tür und den Türrahmen regelrecht miteinander verschmolzen. Nun, da es der einzige Weg nach draußen zu sein schien, versuchte er es noch einmal.

Wieder rührte sich die Tür keinen Millimeter. Er war gefangen und saß in der Falle. Er wollte instinktiv um Hilfe schreien, aber sein Verstand sagte ihm, dass ihn niemand hören würde. Er war allein – der Einzige, der dumm genug war, in die alte Stadt zu gehen. Er hatte sich diese Suppe selbst eingebrockt, also würde er sie auch selbst auslöffeln müssen.

Er erinnerte sich an die Metallstreben auf der Rückseite des alten Holzregals. Wenn er einen Spalt zwischen der Tür und dem Rahmen finden würde, könnte er eine der Streben in die Lücke pressen und sie als Hebel benutzen, um die Tür zu öffnen – es war einen Versuch wert.

Leider hielten die Streben dem Druck nicht stand und verbogen sich schnell. Trotzdem versuchte er es immer und immer wieder, bis sie in Stücke brachen. Verzweifelt schaute er auf die Metallstücke, die zu seinen Füßen neben einigen Steinen auf dem Boden lagen. Könnte er die Steine und Metallstücke vielleicht als Hammer und Meißel benutzen? Vielleicht könnte er damit die Tür aufbrechen.

Er nahm einen Stein und ein Stück Metall und machte sich an die Arbeit. Jeder Schlag hallte durch den ganzen Raum und ließ Staub von der Decke rieseln. Die Arbeit war schweißtreibend, und bald war er von oben bis unten mit Dreck bedeckt. Nachdem Chezana jeden Zentimeter des Türrahmens entlang gehämmert hatte, versuchte er erneut, die Tür zu öffnen. Seine pure Verzweiflung setzte die erforderliche Kraft frei, um die Tür endlich aufzubekommen.

Dahinter befand sich ein weiterer Raum – wiederum völlig dunkel. Chezana musste die Hände vor sich ausstrecken und sämtliche Sinne benutzen, um sich langsam einen Weg nach vorne zu bahnen – stets auf der Suche nach etwas, auf das er klettern konnte, oder nach einer anderen Möglichkeit zur Flucht. Mit jedem Schritt prüfte er vorsichtig den Boden unter seinen Füßen, um sicherzustellen, dass er fest war und nicht wieder einstürzen würde.

Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen, bevor seine Hände etwas berührten. Ganz sachte erkundete er jeden Zentimeter, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was es sein könnte. Seine Hände bewegten sich langsam und vorsichtig über das Objekt, als dieses unbekannte Etwas auf einmal völlig überraschend zumindest etwas Licht in das vollkommene Dunkel brachte.

Chezana erblickte eine weitere rostige Eisentür. Er ging zurück zu den Metallstreben, hob einen Stein auf und machte sich wieder an die Arbeit. Mit viel Geduld und all seiner Kraft gelang es ihm, auch die zweite Tür zu öffnen. Dahinter befanden sich ein kleiner Eingangsbereich und eine Treppe, die hoch zu einem Ausgang führte. Dieser war zwar durch einige Felsen versperrt, aber durch die Ritzen zwischen den Steinen schienen vereinzelte Lichtstrahlen. In Chezana keimte die feste Überzeugung auf, dass dieses Geröll ihn nicht würde aufhalten können. Aber würde die Treppe sein Gewicht tragen? Es könnte seine letzte Chance sein, zu entkommen. Er musste äußerste Vorsicht walten lassen, während er sich langsam vorwärtsbewegte. Glücklicherweise stellte er beim Aufstieg Stufe für Stufe fest, dass die Treppe recht stabil war.

Als Chezana den Ausgang erreicht hatte, kam der Moment der Wahrheit. Bevor er sich auf den Weg zurück an die Oberfläche machen konnte, musste er seine ganze Kraft einsetzen, um die Felsen vorsichtig zur Seite zu schieben. Nur ein kleiner Fehler, und er würde rückwärts die Treppe hinabstürzen und von den herabfallenden Steinen erschlagen werden. Er nahm einen tiefen Atemzug.

Es funktionierte! Nachdem Chezana die Oberfläche erreicht und sich entspannt hatte, dachte er über das Geschehene nach und erinnerte sich an die Lichtquelle, die ihm den Weg aus der Falle aufgezeigt hatte. Die Lichtblitze auf dem Apparat hatten sofort seine Aufmerksamkeit erregt. Dennoch hatte er seinen Fokus umgehend darauf zurück gerichtet, erst einmal aus dem Keller zu entkommen. Jetzt veranlasste ihn seine Neugierde dazu, die Lichtquelle noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Chezana stand vor dieser seltsamen Maschine, die ihm das Leben gerettet hatte. Während Sekunden, Minuten, vielleicht sogar Stunden vergingen, stand er einfach nur da und beobachtete. Fasziniert von dem, was er sah, fragte sich Chezana, was dieses Ding sein könnte. Als er beschloss, dass es Zeit war, zurück in sein Dorf zu gehen, hatte bereits die Dämmerung eingesetzt.

Doch bevor er sich auf den Weg machen konnte, musste er zuerst sicherstellen, dass ihm niemand anderes seine Entdeckung streitig machte. Er benutzte einige der Felsen, die er zur Seite geschoben hatte, um den Einstieg zu tarnen. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme suchte er nach alten Warnschildern, um den gesamten Bereich als besonders gefährlich und einsturzgefährdet zu kennzeichnen. Als er fertig war, trat er einige Schritt zurück und begutachtete sein Werk. Das sollte reichen.

Von da an kehrte Chezana täglich zurück, um die Maschine zu untersuchen, die er zufällig gefunden hatte. Damals wusste er noch nicht, dass der uralte Computer ihm Zugang zu WeYou verschaffen und sein Leben für immer verändern würde.

Die ersten Schritte waren eine Herausforderung: Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte oder was er erwarten konnte. Jedes Mal, wenn er zurückkehrte, drückte er einen Knopf auf der Tastatur, um die Maschine zu starten, setzte sich dann hin und starrte auf den Bildschirm, während sich eine neue Welt vor ihm entfaltete. Der Bildschirm bot eine hervorragende Möglichkeit, seinem Alltag aus Hunger, Langeweile und Verzweiflung zu entfliehen. Die Maschine brachte ihn an einen hellen, glänzenden Ort, an dem jedermanns Träume wahr werden konnten, an dem jeder tun und sein konnte, was er wollte. Je mehr er über diese Welt erfuhr, desto mehr faszinierte sie ihn – dieser Ort war das genaue Gegenteil von allem, was er gewohnt war. Bald verbrachte er mehr Zeit vor dem Computer als mit seiner Familie und seinen Freunden. Er wurde süchtig nach dieser virtuellen Welt namens WeYou und all ihren Möglichkeiten.

Eines Tages geschah etwas Außergewöhnliches: WeYou war nicht dafür gedacht, über einen alten Computer betreten zu werden wie den, den er gefunden hatte. Von einer auf die andere Sekunde war der Bildschirm voller Zahlen, Buchstaben und Symbolen, die Chezana nicht verstand. Trotz all seiner Bemühungen war er nicht in der Lage, das System neu zu starten und in die Welt von WeYou zurückzukehren. Sein größter Schatz war zu einem nutzlosen Stück Schrott verkommen. Dieser Verlust verwandelte Chezana von einem glücklichen und zufriedenen Menschen in einen verzweifelten Süchtigen, der einen kalten Entzug machte, weil ihm seine tägliche Dosis an digitaler Flucht und Ablenkung verweigert wurde.

Chezana hätte aufgeben können, aber das wäre gegen seine Natur gewesen: Er war ein Kämpfer.

Bislang hatte Chezana niemandem von der Maschine erzählt, von der er inzwischen wusste, dass es sich um einen Computer handelte. Diese Geheimniskrämerei war wider seine Natur. Normalerweise war er ein äußerst liebenswürdiger und geselliger Mensch. Er fühlte sich schrecklich, weil er dieses Geheimnis für sich behalten hatte. Aber er beruhigte sein schlechtes Gewissen, indem er sich sagte, dass er seine Leute über den Computer und WeYou informieren würde, sobald er alle seine Geheimnisse aufgedeckt und sichergestellt hatte, dass das Gerät keine Gefahr für ihn oder jemand anderen darstellte. Doch jetzt hatte er sich verrannt und brauchte Hilfe. Glücklicherweise wusste er, wer ihn vielleicht wieder mit der Welt von WeYou verbinden konnte.

Viele Vertriebene aus der ganzen Welt waren auf seiner Insel und gezwungen, unter den gleichen schrecklichen Bedingungen zu leben wie er selbst. Eines Tages am Brunnen hatte Chezana ein anregendes Gespräch mit einer der Gestrandeten. Früher war Yoko einmal eine Spezialistin für Informationstechnologie, bevor sie auf die Insel verschleppt wurde. Es dauerte nicht lange, bis Chezana Yoko fand und sie dazu überredete, gemeinsam den Computer im geheimen Keller in der Altstadt zu untersuchen. Auf den ersten Blick war klar, dass sie so unterschiedlich waren, wie zwei Menschen nur sein konnten. Yoko war klein mit asiatischen Wurzeln und sehr heller Haut. Chezana war Afrikaner, dunkelhäutig und groß. Zu dieser Zeit war Yoko bereits erwachsen und Chezana noch ein Teenager. Sie kam aus einer wohlhabenden Familie, ging auf die Universität und hatte die Welt bereist. Er war nur in der rauen Schule des Lebens gewesen und kannte nichts außer seiner Insel. Sie war still, schüchtern und introvertiert, er war lustig, laut und kontaktfreudig – die Liste könnte ewig so weitergehen. Und doch verband die beiden die Grausamkeit der Welt, in der sie lebten – mit all ihren unmenschlichen Einschränkungen. Trotz all ihrer Unterschiede schien es eine spezielle Verbindung zwischen ihnen zu geben. Gegensätze zogen sich an. Beide spürten sofort, dass sie ein perfektes Team waren, Yin und Yang. Yoko erkannte, dass es sich bei den seltsamen Symbolen auf dem Bildschirm um eine fortgeschrittene Programmiersprache handelte, und dass der Fehler, den die alte Hardware verursacht hatte, eine Hintertür zum WeYou-System geöffnet hatte. Schritt für Schritt führte Yoko Chezana in die Welt der IT und der Programmierung ein. Gemeinsam begannen sie die Geheimnisse hinter WeYou zu lüften, die noch faszinierender und spannender waren als die Besuche an der sichtbaren Oberfläche der Welt, die Chezana bisher erkundet hatte.

Am Anfang hatten Yoko und Chezana eine Menge Spaß: Yoko lehrte Chezana die Bedeutung von allem, was sie auf dem Bildschirm sahen und wie verschiedene Module wie Zahnräder ineinandergriffen. Im Gegenzug brachte Chezana Yoko mit seiner verspielten und optimistischen Art zu einem intensiven Lachen, wie sie es noch nie getan hatte. Seine Kommentare über das Leben der Menschen, die sie in einer anderen Welt beobachteten, reizten ihre Lachmuskeln regelmäßig bis zum äußersten. Am Ende eines jeden Tages konnten sie es bereits kaum erwarten, am darauf folgenden Tag zurückzukehren und ihre Streifzüge durch die Welt von WeYou fortzusetzen.

Diese Routine hätte ewig so weitergehen können. Aber eines Tages fanden sie eine Bibliothek mit Codes, auf die sie keinen Zugriff hatten. Bis jetzt war alles innerhalb von WeYou komplett Open-Source – jeder konnte problemlos sämtliche Daten einsehen. Doch diese Bibliothek war verschlüsselt und zeigte Symbole, die selbst Yoko noch nie gesehen hatte: Nichts ergab einen Sinn.

Nach kurzer Zeit schlug ihre Frustration in Begeisterung um: Sie waren wie besessen von der Herausforderung, die verschlüsselten Module zu knacken. Chezana und Yoko versuchten alles, aber nichts funktionierte. Sie hatten das Gefühl, dass sie sich ewig im Kreis drehen würden: Je mehr sie scheiterten, desto motivierter wurden sie.

Eines Tages war Chezana so genervt von dieser Gratwanderung zwischen Hoffnung und Verzweiflung, dass er mit beiden Fäusten auf die Tastatur des Computers hämmerte. Zuerst war Yoko ein wenig schockiert, doch dann entschied sie, sich ihm anzuschließen. Sie schlugen beide wie wild auf den Computer ein, bis ihre Wut in Gelächter überging. Plötzlich wurde ihnen klar, was passiert war, und sie verstummten. Ohne zu wissen, wie sie es getan hatten, entschlüsselten sie die Bibliothek und erhielten Zugang zu Informationen, die niemand kennen sollte: die tiefsten Geheimnisse von WeYou.

Zuerst ergab auch hier wieder nichts davon einen Sinn, aber Chezana und Yoko gewöhnten sich an scheinbar ausweglose Situationen. Nach einer Weile lernten sie, sich auch in dieser neuen Umgebung zurechtzufinden. Bald fügten sich die ersten Teile des Puzzles zusammen. Es dauerte nicht lange, bis sie erkannten, dass etwas in dieser Welt nicht stimmte, oder besser gesagt vollkommen aus den Fugen geraten war. Sie wussten, dass das, was für sie bis dato nur ein Spiel gewesen war, sich nun in eine gefährliche Realität verwandelt hatte. Wenn die Mächte hinter WeYou erfahren würden, was sie entdeckt hatten, würden sie Yoko, Chezana, ihre Familien, ihre Freunde und alle anderen auf der Insel auslöschen. Niemand mit dem Wissen über das, was sie herausgefunden hatten, würde überleben dürfen, und es würde keine Spur von ihnen zurückbleiben.

Chezana und Yoko spürten sofort, dass die Dinge nie wieder so sein würden wie zuvor. Es gab keinen Weg zurück, keinen Platz zum Verstecken. Chezana entschied, dass Angriff ihre beste Verteidigung sei.

Er und Yoko begannen mit dem Aufbau einer eigenen virtuellen Welt: Sie mussten eine Waffe schaffen, um sich im Kampf gegen WeYou zu verteidigen. Dabei hatten sie zwei entscheidende Vorteile: Erstens wussten sie eine Menge über WeYou, während es nichts über sie wusste. Zweitens mussten sie das Rad nicht neu erfinden: Sie konnten einfach den Code, die Routinen und die Algorithmen des WeYou-Systems kopieren und für ihre eigenen Zwecke verwenden. Da ihre Ressourcen minimal waren, würde ihr System im Vergleich zu dem von WeYou stets simpel sein. Dennoch gelang es ihnen, ein Schutzschild zu entwickeln, das WeYou daran hinderte, ihre Aktivitäten zu entdecken. Nach und nach schufen sie einen Raum, von dem aus sie die Welt von WeYou nicht nur beobachten, sondern ein aktiver Teil von ihr werden konnten.

Yoko erinnerte sich an ein Buch aus dem frühen einundzwanzigsten Jahrhundert über eine Bewegung namens Occupy Wall Street. Occupy wollte das Finanz- und Gesellschaftssystem bekämpfen, das in der damaligen Zeit vorherrschte – genau das wollten sie und Chezana auch, nur, dass in ihrem Fall nicht die Finanzwelt, sondern die Technologie im Mittelpunkt stand. Daher nannten sie ihren neu geschaffenen Raum Teccupy.

Chezana und Yoko wussten, dass es immer ein David-gegen-Goliath-gleicher Kampf sein würde. Dabei hätten sie keinerlei Aussicht auf Erfolg, wenn sie die einzigen Davids bleiben würden. Sie mussten ein trojanisches Pferd bauen, das mit so vielen Davids wie möglich gefüllt war, bevor sie es im Herzen von Goliaths Festung platzierten – dem Zentrum von WeYou. Sie wussten, dass sie auf ihrer Insel nicht in der Lage sein würden, die Art und Anzahl von Davids zu finden, die sie brauchten. Sie mussten die besten Talente suchen und ein globales Netzwerk von Gleichgesinnten aufbauen, die bereit waren, alles zu riskieren, um das System zu bekämpfen und die Welt zu verändern.

Schritt für Schritt sammelten sie mehr und mehr Informationen, um dem Herz von WeYou näher zu kommen. Innerhalb von Teccupy waren sie sicher und unsichtbar – außer in dem Moment, in dem sie sich mit WeYou verbanden, um etwas in oder aus Teccupy zu übertragen. Auch offline mussten sie immer vorsichtig sein und bei jedem ihrer Schritte höchste Vorsicht walten lassen. WeYous Augen und Ohren waren überall – auch auf ihrer Insel. Dank harter Arbeit und einer gehörigen Portion Glück wurde Teccupy viel mehr als eine virtuelle Welt. Aus einem initialen Funken entstand eine mächtige Bewegung – vielleicht sogar die bedeutendste Revolution aller Zeiten.

Chezana war von Anfang an stets äußerst wachsam gewesen. Im Laufe der Jahre hatten ihn der Druck und die Verantwortung, Teccupy zu gründen und zu leiten von einem unbedachten jungen Mann in eine beeindruckende Persönlichkeit verwandelt. Er war zu einer echten Führungspersönlichkeit herangewachsen. Auch Yoko spielte eine wesentliche Rolle für den Erfolg von Teccupy: Sie war Chezanas rechte Hand und die vertrauenswürdigste Beraterin geworden, die still im Hintergrund ihre Arbeit erledigte. Sie wussten beide, dass bereits der kleinste Fehler alles zerstören konnte, was sie erreicht hatten. Sie und ihre Kameraden mussten sich ständig konzentrieren, oder sie riskierten, erwischt zu werden und ihren Angehörigen unermessliches Leid zuzufügen. Der Einsatz bei diesem Spiel war enorm: die letzte Chance der Menschheit, um das scheinbar perfekte und unbesiegbare System von WeYou zu überwinden.

***

Kurz bevor die Sonnenstrahlen endgültig die Oberhand gewinnen, beendet Chezana seinen Streifzug in die Vergangenheit und besinnt sich auf das Wesentliche im Hier und Jetzt. Sein und Yokos oberstes Ziel ist es, dass die Früchte des menschlichen Fortschritts nicht nur einigen wenigen, sondern allen zur Verfügung stehen – das ist es, was sie jeden Tag über sich hinauswachsen lässt. Dafür kämpft Teccupy – koste es, was es wolle. Und dank einiger Informationen, die Chezana und Yoko beim Ausspionieren von WeYou gesammelt haben, wissen sie, dass die letzte Phase dieses Kampfes heute beginnt!



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Mike O. (Buchhändler)
Via NetGalley.com

Sehr gut entwickelte Charaktere und eine extrem fesselnde Geschichte, die den Leser bis zur letzten Wendung im Dunkeln lässt! Das ist das Buch, das man dieses Jahr lesen sollte!

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Floyd E. Romesberg
Chemiker, Synthetischer Biologe, TED-Sprecher

Wir haben dem Alphabet des Lebens einige neue Buchstaben hinzugefügt. Catch-42 kreiert daraus eine faszinierende Geschichte über unsere Zukunft.

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Greg Verdino
Futurist, Autor von Never Normal

Felix Holzapfel verwandelt sein tiefes Verständnis der wichtigsten Technologietrends in eine fesselnde Erzählung, die zeigt, dass die Zukunft das sein wird, was wir aus ihr machen.

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Michael Fulton
Academic Director of Digital Executive Education an der Ohio State University

Eine kreative, einfallsreiche und unterhaltsame Lektüre. Das Buch hat mein Denken und Verständnis erweitert, was technoloogisch heute und zukünftig möglich ist. Darüber hinaus fordert die futuristische Denkweise den Leser heraus zu erforschen, was real und was richtig ist.

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M. Sean Coleman
Autor von Netwars: The Code

Ob es uns gefällt oder nicht, Technologie wird unsere Welt schon bald radikal verändern. Catch-42 zeigt, warum es so wichtig ist, dass wir uns alle an dem Entscheidungsprozess beteiligen, um die Weichen für unsere Zukunft richtig zu stellen.

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Idris Mootee
Unternehmer, Investor, KI Experte

Eine atemberaubende Mischung aus Wissenschaft, Technologie und Philosophie. Das Ergebnis: Eine faszinierende Geschichte mit einem gewagten und zum Nachdenken anregenden Blick in die Zukunft der Menschheit.

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Brett Greene
Founder, New Tech Northwest

Catch-42 behandelt viele Trendthemen und wichtige aktuelle Fragen. Man braucht vielleicht etwas Zeit, um das Buch zu lesen, aber es ist jede Sekunde wert.

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Über den Autor

Felix Holzapfel, Jahrgang 1978, ist Unternehmer und anerkannter Experte für Technologie und Marketing. Die Plattform Thinkers360 hat ihn in den vergangenen drei Jahren mehrfach als einen der zehn weltweit führenden Vordenker für Digitale Transformation ausgezeichnet. Nachdem er bereits mehrere Fachbücher über Trends, Technologie und den Wandel unserer Medienlandschaft veröffentlicht hat, ist Catch-42 sein erster Roman.

 

Die Cover Geschichte

Das Cover dieses Buches ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem australischen Digital- und Krypto-Künstler Nate Hill, dem Autor von Catch-42, Felix Holzapfel, und Thomas Wolff vom lamoto design studio. Ziel dieser Zusammenarbeit war es nicht nur ein Cover zu gestalten, das den Leser in die Geschichte hineinzieht, sondern auch die Möglichkeiten von Non-Fungible-Token (NFT) und Blockchain-Technologie in der Kreativ- und Verlagsbranche aufzuzeigen – und darüber hinaus.